3. September 2007 · 15:14
Laut Titelblatt eines der Münchener Boulevardblätter soll das Wetter in den nächsten Wochen „greislig“ werden: Regen, kalt, in den Bergen sogar Schnee. Heute ziehen schon die dunklen Wolken auf, aber bislang hat es noch nicht zu regnen angefangen. Jedenfalls werde ich es heute nicht riskieren, auf den Platz zu fahren, und ich bin gespannt, ob die Vorhersage zutrifft und ob die Saison, die für mich ja erst so spät begonnen hat, sich demnächst schon wieder ihrem Ende zuneigen wird. Bisher hatte ich mir jedes Jahr im September und Oktober eingeredet, ich könnte auch noch zum Jahresende hin „genauso gut“ zum Spielen gehen; es würde doch einfach nur ein bißchen kühler werden. Dazu war es aber nie gekommen. Die Kälte ist es nicht allein; hinzu kommen üppige Schauer und eine insgesamt weniger aufmunternde Stimmung draußen. Wir werden sehen…
Jedenfalls gibt es über gestern noch etwas nachzutragen: Ich hatte ja immer wieder Schulterschmerzen gehabt und war mir auch sicher gewesen, daß es mit Fehlern beim Schwung und Schlag zu tun gehabt hatte. Interessanterweise waren die Schmerzen auch ohne Spielen dageblieben, manchmal sogar über ein halbes Jahr, oder sie waren in Zeiten, wo ich schon ewig nicht gespielt hatte, einfach so von selbst wiedergekommen. Die Erfahrung war aber, auch jetzt wieder, gewesen: Ein Wiederaufnehmen des Spielens ließ die Schmerzen wieder verschwinden.
Noch einmal, zum Verstehen: Erst scheint das Spielen die Schmerzen verursacht zu haben, dann wieder ist es genau das Spielen, das sie kuriert.
Die Lösung dieses scheinbaren Paradoxons besteht im Verstehen des richtigen Bewegungsablaufs. Ein falscher Bewegungsablauf stört die Körperharmonie, ein richtiger stellt sie wieder her. Und daher hängt nicht nur der Spielerfolg und der Spaß am Spiel vom richtigen Verständnis des Bewegungsablaufs ab, sondern eben — und bei weitem nicht zuletzt! — auch die eigene Gesundheit.
Und nun zu dem, was ich gestern beobachtet habe (und im Nachklang auch heute spüre): Selbst kleine Fehler und Unstimmigkeiten verursachen bei mir eine gravierende Störung im Fluß der Körperenergie. Ich schreibe bewußt „Körperenergie“, denn es ist weit mehr als nur Biomechanik. Allein schon eine relativ kleine Veränderung wie das Absenken der rechten in bezug auf die linke Schulter beim Treffmoment (wie von Croker empfohlen) scheint bei mir etwas im Energiefluß verändert zu haben. (Die Akupunkteure sprechen von einem Umschalten der Verkehrszeichen und einem Umleiten der Ströme.) Manchmal merke ich auch (außerhalb des Golfs), wie eine einfache Änderung der Stellung beim Stehen oder Sitzen solche Strömungsänderungen hervorruft; dann fließt plötzlich die blockierte Energie durch Hals und Kopf nach oben ab. Die Wirkung ist, daß sich dann der ganze Körper schwerelos fühlt. Gewicht wird nur da gespürt, wo noch Blockade herrscht; ein Lösen der Blockade setzt die Energie frei, und der betreffende Bereich wird zuerst leicht, dann schwindet er völlig aus der aktiven Wahrnehmung, so als wäre er nun gar nicht mehr vorhanden. Im Idealfall lösen sich alle miteinander verbundenen Blockaden mit auf und der Körper wird in seiner Gesamtheit transzendiert. Viele Menschen kennen diesen Zustand gar nicht, aber ich kenne ihn sehr gut, und deshalb merke ich auch sofort, wenn diese Leichtigkeit beeinträchtigt ist. Und wie schon gesagt empfinde ich darüber hinaus selbst kleine dieser Beeinträchtigungen sehr schnell als äußerst quälend und störend.
Ich sehe immer deutlicher, wie entscheidend das richtige Verständnis des Bewegungsablaufs beim Golf ist. Denn ohne dieses Verständnis mag man vielleicht instinktiv oder routinemäßig richtig schwingen und schlagen (und spielen), aber man ist nicht davor gefeit, auf jeden Irrtum neu hereinzufallen. Meine ganzen Erfahrungen mit Trainern bestätigen das noch umso deutlicher, denn Trainer vermitteln fast nie dieses Verständnis. (Es ist quasi ihr eigenes Berufsgeheimnis, denn wer es hat, wäre ja selbst nicht nur Spieler, sondern ebenfalls Trainer, denn er könnte sein Verständnis, das ihm ja nun selbst angehört, jederzeit reproduzieren, und zwar auch in Worten — denn was man nicht verbal kommunizieren kann, das hat man auch nicht wirklich verstanden.) Sondern was Trainer vermitteln, das sind punktuelle Kniffe und Tips, die etwas von außen am Spiel, also am Bewegungsverhalten des Lernenden ändern oder korrigieren. Der Lernende soll sich das dann durch Wiederholung angewöhnen. Mit anderen Worten: Er wird auf dieses Verhalten hin bloß konditioniert (ein anderes Wort dafür wäre: gedrillt); es wird ihm mechanisch eingetrichtert. (Man kann bekanntlich Papageien auch das Sprechen beibringen; sie wissen aber nicht, was sie reden.) Der Vorteil für den Trainer: Er verdient immer wieder.
Eine andere Erfahrung, die ich mit Trainern gemacht habe: Sie verstehen es oft selbst nicht. Eigentlich erschreckend, aber wahr (und umso erschreckender, wenn man bedenkt, daß eine halbe Stunde mindestens 30 Euro kostet): Jeder vermittelt nur seine paar Tricks und Kniffe, und wenn’s hoch kommt, sein eigenes bruchstückhaftes Verständnis — aber ich habe noch keinen getroffen, der ein umfassendes und zutreffendes Bild vom richtigen Schlagen und Spielen vermittelt hätte. (Sie würden vielleicht einwenden: Mehr könnten sie in ein paar Stunden auch nicht vermitteln; da müßte man monate- und jahrelang zu ihnen kommen. Aber das stimmt nicht, wie meine Schulterschmerzen gut zeigen. Die kommen nämlich von falschen Hinweisen, einen zu nahen Stand am Ball betreffend. Und inzwischen sehe ich, wenn ich Trainern bei der Arbeit zuschaue, zuhauf solche falschen Anweisungen.) Die andere Sache ist: Um das ganze Golfspiel umfassend verinnerlicht und von Grund auf durchschaut zu haben, muß man das sein, was man im spirituellen Bereich einen „wirklichen Weisen“ nennt. Und so etwas ist sehr, sehr selten.
Es bleibt einem nur, sich selbst auf den langen Weg zu begeben und Stück für Stück eigenes Verständnis heranzubilden, immer wieder in kleinen Schritten, mit kleinen Erkenntnissen, kleinen Aufschlüssen und Beobachtungen. Aber das ist dann das, was ich wirkliches Golf nennen möchte, ein Spiel der Lebensweisheit und der Reife, und beileibe kein belangloser Zeitvertreib! Alles, was auf diesem Weg gewonnen wurde, bleibt einem und ist unverlierbar. Und rückwärts geht dieser Weg nicht; er geht immer nur vorwärts; ja, man kann sogar wagen zu behaupten: Er geht immer in die richtige Richtung.
So, mittlerweile platscht jetzt draußen aber so richtig der Regen vom Himmel, und mit Spielen ist’s dann erst mal nichts.